Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
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Main-Echo, vom 14.12.02
Das Göttliche ist doch in allen Dingen
                                                                                                      Heinse-Lesung mit Christoph Schwandt und Almut Hüfler im Bachsaal

>> ...Ich habe große Lust wieder nach Rom...es ist bey uns alles so kalt und kein edler Geist findet Unterstützung...<<

Gedanken wie dieser, aufgeschrieben im 18. Jahrhundert von dem Dichter Wilhelm Heinse wärmen noch heute – gerade bei Minusgraden – die Herzen der Anhänger des idealistischen Künstlers, der 17 Jahre als Hofbibliothekar unter dem Mainzer Kurfürsten und Erzbischof Karl Josef, Freiherr von Erthal, in Aschaffenburg lebte. Christoph Schwandt, Autor, Chefdramaturg an der Kölner Oper und Herausgeber des soeben erschienenen Insel -Taschenbuches >>Wilhelm Heinse – Tagebuch einer Reise nach Italien<< und Almut Hüfler, die einen biografischen Essay in dem Buch veröffentlichte, nahmen am Donnerstag im Bachsaal auf Einladung der Buchhandlung Diekmann die Besucher der Lesung mit auf die wichtigste Reise Heinses, die sein Leben und seine Werke so nachhaltig beeinflußten.
...Almut Hüfler, derzeit über Heinse promovierende Germanistin aus Berlin, arbeitet maßgeblich mit an der Aufbereitung des Frankfurter Nachlasses, der in einer neuen Gesamtausgabe im nächsten Herbst veröffentlicht werden soll. Hüfler ist, so Schwandt, die Person mit dem derzeit wohl größten Wissen über Heinse. Lange verschollene Aufzeichnungen hatten eine neue Betrachtung auf das Werk und das Leben Heines nötig gemacht. Schnell wird dem Zuhörer der beiden Heinse-Kenner klar: Der Freigeist Johann Jacob Wilhelm Heinse (1746 bis 1803), der neben seinen Zeitgenossen Goethe und Schiller lange Zeit verblasst war, ist schwer einzuordnen.
...Sturm und Drang - Dichter? Naturalist? Romantiker? Auf jeden Fall ein großer Eklektiker, der sich häufig im Disput mit sich selbst befand. Ein Allrounder, der mit seinen Dichtungen ein hervorragendes Bild des 18. Jahrhunderts malt.
...Warum Heinse auch im 21. Jahrhundert noch immer interessant ist, analysierten Almut Hüfler und Christoph Schwandt vortrefflich. Schwandt, in dem er nach Rezitaten aus Heinses Tagebuch die Besonderheit beleuchtet und Almut Hüfler, die mit fundiertem Wissen und gleichzeitig Charme und Enthusiasmus ihre Analysen und Studien dem Publikum präsentiert.
Was nun macht Heinse auch 200 Jahre nach seinem Tod noch immer so spannend? >>Die Intermedialität ist die Faszination<<, so Hüfler. Heinse habe wissen wollen, wie sich die verschiedenen Medien zueinander verhalten. Mit Sprache wollte er Bilder lebendig machen, Musik in Worte fassen, Landschaften fühlbar machen, sinnästhetische Eindrücke sprachlich ausdrücken, die Grenzen der einzelnen Medien überschreiten und in Frage stellen. ... Die von Christoph Schwandt vorgetragenen Texte zeigen, wie wortgewaltig, sinnlich, liberal und idealistisch Heinse seine Umgebung betrachtet, sich mit ihr auseinander setzt. Kompromisslos, keiner Obrigkeit hörig, mit schonungsloser, oft schockierender Offenheit bis zur Blasphemie. ...Was sich wie ein roter Faden durch Heinses Schaffen zieht , ist seine Abneigung gegenüber den >>Pfaffen, der Pfaffenmoral<<, die sein Interesse an klassischen Themen für ihn nicht Mensch gemäß präsentierten, er hat sie stets als Korsett empfunden, sah er doch das Göttliche in allen Dingen: dem Menschen, der Kunst, der Musik, der Natur. ...Vieles gab es im unterhaltsamen Zwiegespräch von Schwandt und Hüfler zu erfahren, vieles gibt es noch zu erkunden. Die Lesung war ein vorzüglich mundendes Amuse gueule, das Appetit auf das bevorstehende Heinse-Jahr weckte.

>>Freilich sind außerordentliche Menschen immer Sonnen, Sterne, Zierden; aber sie machen nicht das Ganze aus.<<
...Wohl wahr, wir aber würden außerordentliche Menschen wie Wilhelm Heinse schmerzlich vermissen.

                                                      Ellen Deller

 

 

 

 

 

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J.J.Wilhelm Heinse
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