Mutter Erde! Tränk in meiner Aue
Deine Kinder nun mit frischem Thaue,
Und erquicke diese lechzende Flur!
Selig ist der Unschuld die Natur!
Seite
vor
zurück
vor
zurück
Wer nicht sagt, was er für wahr hält, ist entweder ein Heuchler, oder ein Feiger, oder ein gebrechlicher Mensch. Wer den Star stechen will, muss können sehend machen, und den Leuten beweisen, dass Sehen besser sei als Blindsein.

Das Lesen bleibt immer Unnatur, und der Mensch kann nur mit Gewalt oder durch Langeweile dazu gebracht werden. Es wird nie einer anfänglich viel Lust dazu gehabt haben.

Wer auf die Sitten wirken will, muss seine Sätze zur Religion machen. Alles andre, was die besten Schriftsteller sagen, geht zu einem Ohr hinein und zum andern wieder heraus.

Wider die Religion schreiben, hilft so viel als nichts. Das Beste, was man dabei tut, ist, man löscht aus. Und welch ein Ruhm, welch ein Verdienst, einen nassen Schwamm vorstellen ?

Die sogenannten Verständigen, die Weltleute, lesen bloß aus Langeweile. Wenn sie das Buch gelesen haben, so haben sie´s gelesen. Und damit ists aus.

Wir leben. Wir sind. Wir denken. Wir sind uns selbst bewusst. Wir können überlegen. Schließen, wählen. Wir fühlen uns frei. Aus nichts wird nichts. Es muss etwas da sein, was dies alles wirkt und tut und hervorbringt. Dies muss ewig sein. Es kann nicht werden, es ist. Es ist im kleinen in uns. Sollt es nicht im großen sein ? Es ist ein Gott. Sind wir Teile von ihm, Funken, angezündete Lichter ? Wir müssen Teile von ihm sein, denn so etwas, wie Seele, lässt sich nicht anzünden. Es ist.

Wenige Menschen kommen so weit dass sie begreifen, dass sie das nicht selbst sind, was in ihnen denkt, dass dies ein Wesen ist, was alles durchdringt und sich mit nichts vermischt, vermischen kann, sondern nur die Masse aller andern Dinge durchwandelt, erkennt, was da ist, und ordnet; und dass ihr Selbst, Kopf, Brust und Arme und Beine mit Augen und Ohren nur wenig verschieden zusammengeordnete Materie der ungeheuren Vorratskammer der Natur ist.[1]

Gut und nützlich und zuträglich ist einerlei; gut ist ein völlig relativer Begriff, und nichts ist an und für sich selbst gut. Aber schön ist jedes Ding in der Natur an und für sich, wenn es das ist, was es seiner Art und Zeit nach sein soll. Ein Löwe ist schön, ob er gleich nicht dem Menschen nützlich ist, und so jedes Element im Aufruhr. Die Sokratsche Philosophie hat das Fatale, dass sie alles auf den Menschen und die Gesetze des Staates bezieht und nichts an und für sich betrachtet; ein herrlicher Bürger war der Alte, aber dadurch hat er alle Naturmenschen gegen sich aufgebracht. Er war Athenienser mit Haut und Haar.

Der wahre Mensch ist immer traurig; seine Freuden sind Blitz in Nacht.

Ich besitze ein Arkanum, vermittelst dessen mir das Innere eines Menschen, er sei Mann oder Weib, und wenn er sich auch mit den täuschendsten Masken verbergen könne – sichtbar wird, und wodurch ich die moralische Welt betrachte, wie die Astronomen den Sternhimmel durch ihre
Sehröhre. Man muss aber eine gewisse Art von Nacht um sich machen, wenn man sich dessen will bedienen können – und dies können
sehr wenig Menschen, insbesondere sehr wenig Bürger der gelehrten Republik, welche fast alle die Begierde haben, sich immer in ihrem
höchsten Glanze zu zeigen.
Wilhelm Heinse- Aufzeichnungen - ausgewählt von T. Zatorski
wilhelm_heinse001014.jpg wilhelm_heinse214003.jpg wilhelm_heinse004004.jpg wilhelm_heinse214002.jpg wilhelm_heinse046003.jpg wilhelm_heinse001008.jpg wilhelm_heinse001012.jpg wilhelm_heinse001010.jpg wilhelm_heinse100002.jpg wilhelm_heinse046002.jpg
J.J.Wilhelm Heinse
wilhelm_heinse001001.jpg